Mit der Krise der bürgerlichen Ideale im Ersten Weltkrieg kam verstärkt der Wunsch nach einer nüchternen, funktionalen Bauweise. Als Vertreter der „Neuen Sachlichkeit“ erklärten die Architekten des Bauhauses Michael Thonets Prinzip, Form und Material auf das Wesentliche zu reduzieren, zu ihrer Leitlinie. Thonets Bugholzentwürfe aus dem 19. Jahrhundert, darunter der Kaffeehausstuhl 214 (Nr. 14), waren die ersten in Serie gefertigten Möbel und so Symbol des industriellen Standards sowie Ausdruck des modernen Geistes. Es überrascht daher nicht, dass Ende der 1920er Jahre das seinerzeit neuartige Stahlrohr bald zum beliebten Material der Bauhaus-Architekten wurde. In dieser Zeit behauptete sich Thonet ein weiteres Mal als Meister der gebogenen Formen und besiegelte seine Spitzenposition bei der Entwicklung innovativer Sitzmöbel, zu denen auch der revolutionäre „Freischwinger“ zählte. In den 1930er Jahren wurde das Unternehmen zum führenden Hersteller von Möbeln aus Stahlrohr.
Als einer der Ersten experimentierte der junge ungarische Gestalter und Bauhaus-Architekt Marcel Breuer bereits Mitte der 1920er Jahre mit dem neuartigen Material. Für einen Prototypen hatte er Stahlrohr der Fahrradfabrik Adler angefragt, die seinen Wunsch jedoch verweigerte. Die Firma zeigte sich befremdet von der „verrückten Idee“, dass ein Inneneinrichter von seinem neuen Adler-Fahrrad zu einer solch revolutionären Tat inspiriert wurde. Thonet erkannte früh das Potential des beeindruckenden Werkstoffs und sicherte sich über die Kontakte zum Dessauer Bauhaus die Rechte an den besten Entwürfen von Avantgardisten wie Ludwig Mies van der Rohe, Mart Stam oder Le Corbusier – und Marcel Breuer. 1928 wurde ein Vertrag zwischen Thonet und Breuer über ein eigenes Stahlrohrprogramm geschlossen, ein Jahr später erwarb Thonet Breuers Firma „Standard Möbel“ und brachte eine umfassende Stahlrohrkollektion auf den Markt. In diesen Jahren entstanden zahlreiche Entwürfe des jungen Architekten für Thonet, so u.a. die Freischwinger B 32 und B 64 – heute unter den Modellnummern S 32 und S 64 bekannt – sowie der doppelt freischwingende Clubsessel S 35, mit dem Thonet auf dem Internationalen Pariser „Salon des Artistes Décorateurs“ im Jahr 1930 für großes Aufsehen sorgte.
In der Aufbruchsstimmung der Nachkriegszeit setzte sich das Stahlrohr schließlich zunehmend als Material für Möbel durch – man konnte es biegen, es war elastisch und fest zugleich. Die enorme Robustheit des Materials, dessen handwerklich erstklassige Verarbeitung und das minimalistische Design der Entwürfe machen unsere Stahlrohr-Klassiker aus der Bauhaus-Ära zu extrem langlebigen Begleitern, die auch noch kommende Generationen begeistern werden. Seit ihrer Entstehung werden die Originalentwürfe der großen Ikonen von Breuer, Stam und Mies van der Rohe bei uns in Frankenberg produziert.