Unsere Historie im Projektgeschäft: 400 Stühle auf einmal – Großaufträge bei Thonet von den Anfängen bis heute
Thonet ist für seine Möbelikonen bekannt, die sich in privaten Wohnräumen seit jeher großer Beliebtheit erfreuen. Weniger bekannt ist, dass zu den Wurzeln unseres Unternehmens auch die Herstellung von Produkten für gewerbliche Nutzung gehört: Von Anfang an belieferte Thonet öffentliche Einrichtungen, Cafés und Restaurants mit Möbeln.
Die Anfänge: In seiner 1819 in Boppard am Rhein gründeten Tischlerei arbeitete Michael Thonet intensiv an der Entwicklung neuer Holzbiegetechniken. Auf diese Experimente wurde Fürst Metternich aufmerksam und holte den Handwerker 1842 nach Wien, wo ihn Carl Leistler an der Ausstattung des Palais Liechtenstein und des Palais Schwarzenberg beteiligte.
1850 zeigte Michael Thonet seinen Sessel Nr. 4 auf einer Ausstellung des Niederösterreichischen Gewerbevereins. Die Gastronomin Anna Daum war begeistert und erteilte ihm daraufhin einen Großauftrag zur Ausstattung ihres Kaffeehauses am Wiener Kohlmarkt. Später kam ein Hotel in Budapest mit 400 Exemplaren ebenfalls des Sessels Nr. 4 dazu – Meilensteine im frühen Projektgeschäft bei Thonet. 1904 entwarf Otto Wagner, Lehrer an der Kunstakademie und einer der „Urväter" der Wiener Secession, einen Armlehnsessel in sachlich-strengem, konstruktivem Stil aus vierkantigem Buchenholz für den Sitzungssaal des Direktoriums der Wiener Postsparkasse: Fauteuil Nr. 6516, den so genannten „Postsparkassensessel“.
Das 20. Jahrhundert bis heute: Durch seine entscheidende Rolle in der Entwicklung und Produktion von Stahlrohrmöbel in der Bauhauszeit, konnte Thonet seit den 1930er Jahren ein weiteres Standbein im Projektmöbelmarkt gewinnen: Bis heute sind die damals neuen sachlichen Möbel von Mart Stam, Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe ein Bestseller. So lieferte Thonet 1932 die Bestuhlung für den naturwissenschaftlichen Lesesaal in der Nationalbibliothek in Leipzig.
Der Zweite Weltkrieg bescherte Thonet zunächst zahlreiche Aufträge für Krankenstühle für Lazarette, doch mit Kriegsende wurden alle sechs in Osteuropa gelegenen Fabriken (so unter anderem die in Bystritz) enteignet. Das Thonet-Haus in Wien sowie das Werk in Frankenberg waren zerstört. Georg Thonet, Urenkel Michael Thonets, baute das Werk in Nordhessen wieder auf. Mit 20 Mitarbeitern und behelfsmäßig reparierten Maschinen entstanden die ersten Möbel, u.a. der an Einfachheit und Schlichtheit kaum zu überbietende Lattenstuhl. Und bald schon stattete Thonet wieder Restaurants, Cafés und öffentliche Räume mit Möbeln aus.
Herauszuheben aus den Entwürfen der Nachkriegszeit, die im Projektgeschäft erfolgreich wurden, sind zunächst der von Eddie Harlis entworfene Sessel 652 sowie das Stuhlprogramm S 800 von Hanno von Gustedt für Konferenzräume.
Als sich in den 1970er Jahren Kunststoff auch in der Möbelbranche ausbreitete, landete Thonet einen Clou mit dem Stuhl „Flex“ von Gerd Lange: Dieser war von Anfang an nicht als Einzelstuhl sondern als flexibles System geplant, welches sich durch Reihenverbindungen, Stapelfähigkeit und Variantenvielfalt auszeichnete.
In den 1980er und 1990er Jahren eroberten der komfortable und elegante Polsterstuhl S 320 sowie das hinterbeinlose Konferenz-Stuhlprogramm S 73/S 74 die Versammlungs- und Besprechungszimmer. Als der von Norman Foster 1990 neu gestaltete Deutsche Bundestag im alten Reichstagsgebäude in Berlin eröffnet wurde, kamen mehrere Thonet-Modelle zum Einsatz, u.a. auch der S 43 von Mart Stam für die Fraktionsräume.
1992 war die Tischanlage S 1000 die erste, bei der Beine und Tischplatte getrennt werden konnten, um modulare Tischkonfigurationen zu bauen, was völlig neue Möglichkeiten in der Konferenzraumgestaltung eröffnete. Aus diesem Entwurf entwickelten die Designer Lepper Schmidt Sommerlade das erfolgreiche Programm A 1700.
Auch im letzten Jahrzehnt rüstete Thonet unzählige Konferenzräume, Säle, Fortbildungseinrichtungen, Hotels und natürlich Cafés und Restaurants aus – vorne dabei der von Delphin Design entwickelte Reihenstuhl S 360, der durch seine platzsparende und kaum sichtbare patentierte Verkettung schnell zum Bestseller wurde. Thonet im Projektgeschäft ist eine Geschichte, die ständig fortgeschrieben wird.